Rede schreiben. Rede halten.

Ja, es gibt sie, die geborenen Redner. Die Charisma in Sprache übertragen. Die Mitmenschen begeistern, beflügeln, inspirieren und informieren. Die zu Tränen rühren oder zu tosendem Gelächter führen. Die mit Worten Menschen verzaubern können, mit Sprache und Stimme Emotionen freisetzen und Massen bewegen. Denken wir an Martin Luther King mit „I have a dream“ oder John F. Kennedy mit „I’m a Berliner“, Kulminationspunkte historischer Reden, die sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt haben.

Mit einer Rede die Welt zu verändern, ist eine Kunst, mit einem guten Vortrag sein Publikum zu begeistern, ist auch Handwerk. Dieser Ratgeber führt Sie anschaulich vom weißen Blatt Papier bis zum Applaus. Sie lernen Techniken und Grundsätze der Rede, erhalten das Werkzeug, um Inhalte zu finden und zu verbinden, Sie erhalten Hinweise zu rhetorischen Mitteln und zur gelungenen Interaktion mit Ihrem Publikum.

Das kann aber nur die Grundlage sein, die Basis unserer langjährigen Erfahrung, die wir in den Seminaren und Coachings bei momentum, dem Institut für Rhetorik und Kommunikation gesammelt haben. Diese Anleitung ersetzt natürlich keinen Kurs bei einem zertifizierten Trainer, kann aber eine gute Grundlage dafür sein.

Gute Reden sind so vielfältig wie die, die sie halten. Gerade deshalb sind persönliches Training und individuelles Feedback die ideale Möglichkeit, das Beste aus sich herauszuholen. Ganz nach dem Goethe-Diktum: „Es trägt Verstand und rechter Sinn mit wenig Kunst sich selber vor.“

Tipp

Die Mindmap-Technik hilft, eine ideale Struktur Ihrer Rede zu finden und einen Masterplan für das fertige Skript immer vor Augen zu haben.

1. Reden sollte man schreiben können. 

Auch wer keinen professionellen Redenschreiber zur Verfügung hat, sollte den Ablauf seiner Rede, die Argumentation, die Eröffnung und das Redenende skizzieren, um sich den Fluss vor Augen zu führen.

Die Struktur im Kopf ist die beste Versicherung vor einem Blackout, der auch den besten Redner sprachlos macht.

Ob Sie die Rede in Stichworten auf Karten skizzieren oder wörtlich durchtexten, ist abhängig von Ihrer Erfahrung, dem nötigen Zeitaufwand, der juristischen Verbindlichkeit. Eine launige Jubiläumsrede verträgt mehr Spontaneität als ein Bilanzvortrag.

Definieren Sie vor dem Erstellen des Manuskripts das Timing. Pro DIN A 4 Seite mit 1 ½ Zeilen Abstand können Sie 2 Minuten Redezeit rechnen.

In der Kürze liegt die Würze, sagt der Volksmund, die meisten Parteitagseröffnungsreden aber dauern über eine Stunde, da braucht es zum Spannungserhalt schon Redner wie Christian Lindner.

Natürlich können Sie das Schreiben Ihrer Rede auch in Auftrag geben.

2. Frei. Sprech. Anlage.

Die meisten Reden werden abgelesen. Das ist für die Zuhörer meist ermüdend, weil es mehr schlechte als gute Leser gibt.

Weil jeder Mensch einen ganz authentischen Redestil hat, ist es wirkungsvoller, frei zu sprechen (gerne auch nach Stichworten) statt abzulesen. Sogar ein Äh oder ein Räuspern kann dann noch rhetorisches Mittel sein, denn man vermeidet die Monotonie gelesener Sätze.

Überlegen Sie, wen Sie als rhetorisches Modell für Ihre Rede wählen möchten. Wie z.B. den großen Fidel Castro, der über mehrere Stunden mühelos auf einem lateinamerikanischen Ärztekongress über die medizinischen Probleme Südamerikas sprechen konnte, frei und voller Wissen in einer bildhaften, packenden Sprache.

Ihr Weg zum freien Sprechen: üben, üben, üben … Wenn Sie nur fünf Minuten täglich trainieren, werden Sie schnell viel sicherer. Schreiben Sie möglichst Begriffe auf Karteikarten, ziehen Sie eine Karte und sprechen Sie frei und assoziativ drei Minuten zu diesem Thema. Beginnen Sie zunächst mit einfachen Begriffen aus der Natur und steigern Sie sich allmählich bis hin zu

Heinrich von Kleist riet dazu: „Die Idee kommt beim Sprechen.“

Das wird Ihnen nach kurzer Zeit zu einer abwechslungsreichen Übung.

Tipp

Die Fähigkeit der freien Rede kann man ideal trainieren mit einem Coaching, wo die Individualität und Authentizität des Sprechers auf seinen Sprechmodus hin trainiert wird.

Tipp

Überlegen Sie sich, ob Sie die emotionale oder die Sachebene Ihrer Rede stärker gewichten wollen. Überfordern Sie Zuhörer ohne Vorwissen nicht mit einer Faktenflut – sie überzeugen sie leichter mit emotionalen Inhalten. Experten für ein Thema erwarten hingegen Belege und sachliche Argumente. Natürlich sind die Übergänge fließend und der Spielraum groß.

3. Das Ziel im Blick, den Zuhörer im Visier. 

Jede Rede hat ein Ziel und sie hat eine Zielgruppe, Ihr Publikum. Ob Sie eine Ausstellung eröffnen, einen Jubilar verabschieden, die Unternehmensstrategie erklären, Sie wollen entweder informieren oder unterhalten, begeistern oder motivieren, Stimmung erzeugen oder Wissen vermitteln.

Zwischen Büttenrede und Vorlesung, zwischen der Trauerrede und dem Firmenjubiläum liegen Welten. Machen Sie sich dieses Ziel klar, es entscheidet über Stil und Tonalität, über die Art, wie Sie reden. Grob gesagt werden Sie eines dieser drei Ziele verfolgen:

Unterhaltung/ Würdigung

  • Sie bereichern mit Ihrer Rede ein Fest oder eine Veranstaltung, eine Messe oder Eröffnung, Sie würdigen ein Ereignis oder ehren eine Person.

Information/Wissensvermittlung

  • Hier steht Ihre Kompetenz im Vordergrund, als Wissenschaftler oder Experte, als Kenner oder Könner. Die Informationsvermittlung steht im Vordergrund, die Zuhörer interessieren sich für Ihr Thema.

Motivation/ Haltung

  • Sie wollen eine gewisse Stimmung vermitteln, meist motivieren und anstiften, oft mit einem Appell verbunden, etwas zu tun oder zu lassen. Auch Wahlkampfreden fallen unter diese Rubrik.

4. Redegattungen und Strukturen

Es gibt keine sinnvollen Reden ohne klare Zielsetzung. Auch wenn Sie überraschend zu einem Redebeitrag eingeladen oder aufgefordert werden, definieren Sie zunächst Ihr persönliches Ziel.

Ob Hochzeitsrede oder der Dank für eine Preisverleihung:

Formulieren Sie Ihr Redeziel in einem Satz.

Das ist Ihre Kernbotschaft. Alles was folgt, sollte diese Kernbotschaft stützen. Konzentrieren Sie sich auf diese Botschaft/Zielsetzung, richten Sie den roten Faden daran aus.

Wenn Sie eine Wahlkampfrede halten oder Partei ergreifen, legen Sie die Prioritäten Ihrer Argumente fest.

Tipp

Bennen Sie Ihr Ziel möglichst konkret und nicht nebulös. Treffen Sie ins Schwarze und zielen Sie nicht ins Blaue.

5. Sinn stiften. Struktur festlegen.

Folgende Redestrukturen haben sich in vielen Reden bewährt. Wenn Sie keine eigene Struktur festlegen, orientieren Sie sich an einer der sechs Strukturen. Auch Mischformen sind möglich.

  • Die zeitliche Gliederung mit Ausblick.
  • Gestern
  • Heute
  • Morgen

Gut geeignet, um Trends darzustellen. Der Zukunftsausblick lässt eine dramatische Zuspitzung von Entwicklungen zu. Er motiviert zum Handeln – ob ermutigend („Wenn wir nicht nachlassen, wird alles noch viel toller!“) oder warnend („Wir müssen jetzt etwas unternehmen, um das zu verhindern!“).

  • Zeitliche Gliederung bis zum Status quo.
  • Beginn
  • Entwicklung
  • Heutiger Status quo

Tipp

Jede Rede ist auch ein Stück Arbeit. Aber sie sollte zu Ihrer Persönlichkeit passen. Vermeiden Sie, Standardreden aus dem Internet auszudrucken und abzulesen. Das ist zwar immer bequem, wird aber vom Publikum fast immer erkannt.

Besonders beliebt, wenn etwas abgeschlossen und Leistung zu würdigen ist. Bei der Verabschiedung eines Mitarbeiters in den Ruhestand oder auf der Party zum Abschluss eines großen Projektes sind Sie mit dieser Gliederung gut beraten.

  • Klassischer Fünfsatz
  • Thema
  • These
  • Begründung
  • Fazit
  • Aufforderung

Die Allrounderin unter den Gliederungen. Wenn Sie unsicher sind, welche Struktur die Richtige für Ihre Zwecke ist, ist der Klassische Fünfsatz ein solider Anfang.

  • Pro – Kontra Formel
  • Thema
  • Gegenposition – Antithese
  • Eigene Position – These
  • Fazit – Synthese, logischer Schluss
  • Appell – Aufforderung zum Handeln

Zeugt von Reflexion und Expertise: Indem Sie erst die Gegenposition darstellen, zeigen Sie Ihre tiefgehende Beschäftigung mit dem Thema. Wenn Sie sie dann mit Ihrer eigenen Ansicht entkräften, nehmen Sie Skeptikern den Wind aus den Segeln. Außerdem geben Sie Ihren Unterstützern eine Vorlage, um später selbst auf Kritik zu reagieren.

  • Pyramide
  • Situation/Problem
  • Fragestellung
  • Kernbotschaft/Empfehlung/Lösung
  • Argumentation/Schritte
  • Wiederholung Kernbotschaft

Eine starke Struktur für komplexe Kontexte. Vor allem, wenn Sie in der Rolle des Experten vor Laien auftreten, will das Publikum an die Hand genommen werden. Sie verzichten auf die Darstellung verschiedener Positionen zugunsten der Übersicht. Stattdessen überzeugen Sie durch Ihr Wissen und Ihre Fähigkeit, einen schwierigen Sachverhalt verständlich zu vermitteln.

  • Trichter
  • Frage/Problem
  • Argumentation
  • Key-Message/Empfehlung/Lösung

Die Umkehrung der Pyramide in light-Version. Reden Sie über eine konkrete Fragestellung in einer Runde mit genügend Hintergrundwissen, dürfen Sie sich auf das Wesentliche konzentrieren. Die Zuhörer werden es Ihnen danken.

6. Jede Rede braucht Persönlichkeit.

Wenn Sie Gerhard Schröder, Angela Merkel und Christian Lindner vergleichen, haben Sie drei Rednertypen, wie sie unterschiedlicher kaum sein können. Und jeder pflegt seinen Redestil, entwickelt ihn aus seiner Persönlichkeit und kommt dabei fast immer authentisch beim Publikum an.

Analysieren Sie Ihren Persönlichkeits-Typ, reflektieren Sie das mit guten Freunden und entwickeln daraus Ihren Redetypus.

Der Wissenschaftler hat selten das Zeug zum Agitator, allein Joschka Fischer ist das Kunststück gelungen sich vom jugendlichen Protestapologeten zum staatstragenden Außenminister vor der UNO zu entwickeln. Aber dafür hat er auch 30 Jahre gebraucht.

Der Tonfall der Rede muss zu Ihrem ganz eigenen Sprachduktus passen. Luthers Wortgewalt braucht auch Luthers klare Sätze. Jemand anders wirkt damit schnell lächerlich. Auch ein Franz Josef Strauß war mit seinen skurrilen Satzbauten und Eigenwortschöpfungen immer ein barocker sprachmächtiger Rhetor.

Und auch Angela Merkel ist mit ihrem kantschen Vernunftstil jederzeit authentisch. Eine Aussage wird ergänzt durch die nächste, eine dritte begründet und daraus wird sinnvoll der Schluss gezogen.

Tipp

Je stärker Ihr Selbstbild mit dem Außenbild, das Ihre Umgebung sich macht übereinstimmt, desto einfacher ist auch der zu Ihnen passende Redestil zu finden und wirkt immer authentisch.

Tipp

Nehmen Sie Ihre Rede auf und hören Sie sich das Resultat mit zeitlichem Abstand an. Sind Sie von sich selbst überzeugt?

7. Eine Rede ist Sprache, nicht Schreibe.

Wenn Sie Ihre Rede ausformulieren, bemühen Sie sich um eine einfache Struktur, so wie Sie wörtlich formulieren würden. Schreiben Sie so, als würden Sie mit einem Freund sprechen.

Die häufigsten Fehler beim Redenschreiben:

  1. Vermeiden Sie langatmige Formulierungen, Schachtelsätze, Nebensatzgebilde, Endlosaufzählungen. Kurze Sätze steigern die Spannung.
  2. Verzichten Sie auf Beiwörter wie „eigentlich“, „quasi“, „im Prinzip“, …
  3. Benutzen Sie starke, lebendige Verben und vermeiden Sie man-Konstruktionen wie „Man sollte hierbei beachten …“. Man heißt nichts anderes als „Mensch“ – in der Überzeugungsarbeit wenig zu gebrauchen. Gemeinschaft erzeugen Sie über wir, einen Appell leiten Sie mit direkter Anrede ein (Sie/Du/Ihr).
  4. Vermeiden Sie abgegriffene Modewörter und leere Worthülsen mit endlosen Verknüpfungen.
  5. Bleiben Sie im Aktiv-Modus und scheuen Sie sich vor dem Passiv und dem Konjunktiv.

8. Die Ansprache des Publikums.

Die Begrüßung zu Beginn einer Rede ist ein sehr sensibler Punkt.

Ellenlange Namenslisten sind eine Tortur für die Gäste. Gleichzeitig soll niemand übergangen werden. Beginnen Sie mit dem Ehrengast, meist der wichtigsten Person. Doch versichern Sie sich vorher, dass der explizit begrüßte Ministerpräsident auch persönlich anwesend ist und nicht einen Adlatus geschickt hat.

Begrüßen Sie möglichst nicht mehr als drei Personen oder Personengruppen. Denken Sie immer an Ihre Zuhörer und da gilt:

Sie sprechen für Ihr Publikum. Darum sprechen Sie es persönlich an.

Wenn Sie keinen protokollarischen Zwängen unterliegen, begrüßen Sie nicht jeden Würdenträger separat. Gerne können Sie einen Ehrengast ganz persönlich ansprechen, aber vermeiden Sie ewige Danksagungen und Grußbotschaften.

Das übliche „Meine Damen und Herren …“ klingt langweilig und gewöhnlich. Lässt es sich partout nicht vermeiden, dann bringen Sie es erst nach Ihrem Einstieg. Denken Sie immer an das 11. Gebot: Du sollst nicht langweilen.

Tipp

Nehmen Sie gerne lokalen oder regionalen Bezug in Ihre Ansprache auf: ein maritimes Ahoi oder ein ruhrpottkundiges Glückauf kann eine Rede gesellig und humorig einleiten.

Tipp

Eine Schreibe, die zur Rede wird, überfordert jeden Zuhörer. Langatmigen Formulierungen und schwungvoll konstruierten Schachtelsätzen kann keiner wirklich folgen. Achten Sie also darauf, kurze und klare Hauptsätzen zu formulieren. Und damit die Lebendigkeit erhalten bleibt, variieren Sie: So können Sie z. B. auf zwei knappe Hauptsätze einen längeren Satz folgen lassen.

9. Die Orientierung zum Anfang.

Geben Sie Ihrem Publikum gleich zu Anfang eine Straßenkarte Ihrer Rede.

Sagen Sie, wie lange Zeit Ihre Rede haben wird, geben Sie eine kurze Gliederung Ihrer Inhalte, sagen Sie, worüber Sie sprechen werden, auch wozu Sie nichts sagen werden und geben Sie ein echtes Versprechen, welches Spannung aufbaut.

Beispiele:

„Am Ende meiner Ausführungen werden Sie nicht nur verstehen, wie das Bad Honnefer Modell funktioniert, nein, Sie werden es auch anwenden können.“

„Wenn wir die Geschichte der Rhetorik Revue passieren lassen, etwa von Cato bis Castro, dann durchschreiten wir 3.000 Jahre Redekunst in 30 Minuten. Ein sportliches Unterfangen, das uns gemeinsam gelingen wird.“

Orientieren Sie Ihr Publikum auch, ob im Anschluss Fragen möglich sind, es eine moderierte Diskussion gibt oder Sie im Anschluss das persönliche Gespräch suchen.

Sehr hilfreich ist auch die Mitteilung, ob es ein Handout gibt oder Sie Ihren Beitrag zusätzlich im Internet einstellen.

10. Das A und O der Rede.

Der gute Anfang und das perfekte Ende machen jede Rede richtig rund. Der Anfang entscheidet über die Aufmerksamkeit des Publikums und das Ende entscheidet wesentlich, wie die Rede erinnert wird. Auch wer frei spricht, sollte von Einstieg und Ausstieg ein klares Bild haben.

Die häufigsten Formen des Redebeginns sind das Zitat, die Anekdote oder der Witz, alle drei schaffen schnell Gemeinsamkeit und ermöglichen eine lockere, entspannte Atmosphäre. Odo Marquard, der jede Rede mit einem Witz begann, war auch ein begnadeter Witzeerzähler, was eine Voraussetzung ist. Wo niemand lacht, ist auch kein Witz.

Die Schockeröffnung ist für die meisten Reden ungeeignet, mit Churchills „I have nothing to offer but blood, sweat and tears.“ kann man genau genommen nur eine Kriegserklärung beginnen.

Das Zitat ist eine sehr wirkungsvolle Eröffnung, sollte allerdings präzise recherchiert werden. Bitte suchen Sie das Zitat sorgfältig und passgenau aus, denn besonders Goethe muss hier öfter herhalten, als es vielen Themen gut tut.

Mit einer Anekdote schaffen viel Redner einen sehr persönlichen Einstieg, wenn man zum Beispiel über den Ort des Treffens eine Verbindung herstellt oder die Mühen der Anreise. Hier sind viele Varianten denkbar.

Die persönliche Geschichte reduziert Distanz und beweist im Idealfall, wie nahe die Lebenswelten von Redner und Auditorium sind.

Ein bekannter Psychologe, der jeden Vortrag mit einer Geschichte von seinem roten Porsche begann, gewann damit nicht immer die Sympathien seines Publikums.

Signalisieren Sie klar, wenn Ihre Rede sich dem Ende nähert und dann sind es meist noch vier mögliche Schritte bis zum letzten Satz:

  1. Sie fassen Ihre Kernpunkte zusammen in einer Summary: „Um unser Jahresziel zu erreichen müssen wir erstens … zweitens … drittens.“
  2. Sie schaffen einen Ausblick in die Zukunft und gestalten diese: „Wenn ich an 2050 denke, dann habe ich eine klare Vision von uns.“
  3. Sie schlagen die Brücke zum Anfang, z.B. zum Zitat: „Wenn Goethe unsere Erfahrungen im Außendienst gemacht hätte, dann würde sein Zitat wohl heute so lauten …“
  4. Sie richten einen eindeutigen Appell an ihr Auditorium, dabei orientieren Sie sich an dem formulierten Ziel Ihrer Rede: „Und wenn wir morgen in alle Himmelsrichtungen auseinandergehen, dann wissen wir sicher, dass diese Erfolgsgeschichte noch nicht am Ende ist.“

Tipp

Einer der größten Stilisten war Friedrich Schiller. Der hat seinen Helden Reden geschrieben, die mit allen rhetorischen Stilmitteln gewaschen sind. Lesen Sie die Reden von Karl Moor, von Wallenstein, von der Jungfrau von Orleans und entdecken Sie unter dem hohen Pathos alle Formen der reinen Rhetorik, brillante Formulierungen, agitatorische Appelle.

11.1. Rhetorische Stilmittel: Stil und Stilmittel

Rhetorische Stilmittel sind die Würze einer jeden Rede. Damit können wir uns in epischer Länge beschäftigen, denn die klassischen Stilmittel der Rhetorik füllen ganze Bücher und Doktorarbeiten.

In ihrer ganzen stilistischen Brillanz sind sie aber primär für professionelle Redenschreiber interessant, für den Gelegenheitsredner sind die klassischen rhetorischen Figuren so relevant wie der doppelte Rittberger beim Eiskunstlauf.

Wichtig ist Ihr eigener, intuitiver Zugang dazu.

Verwenden Sie sie wie einen Pfefferstreuer und wiegen Sie nicht aufs Gramm genau ab. So prägen Sie den persönlichen Stil Ihrer Rede, der sich aus dem Thema, dem Auditorium und der Person und Zielsetzung des Redners ergibt.

So ist die klassische Trauerrede ein Rückblick, der das persönliche Verhältnis zweier Personen in den Vordergrund stellt. Ob man hier gemeinsame Erlebnisse oder Anekdoten einstreut, wenn die Trauergemeinde ein deutlich gezeichnetes Porträt des Verstorbenen vor Augen hat, ihn wertschätzt und positiv erinnert, hat die Rede ihr Ziel erreicht. Mit Hilfe der rhetorischen Stilmittel kreieren Sie einen authentischen Vortrag, der ein starkes Bild vermittelt, ein gekonntes Porträt zeichnet, einen Menschen lebendig werden lässt.

11.2. Rhetorische Stilmittel: Gute Metaphern und schräge Vergleiche.

Bildsprache und Sprachbilder sind ganz wichtige Momente um Dinge anschaulich, nachvollziehbar und klar werden zu lassen, um Abstraktes den Menschen verständlich zu machen.

Ein jeder erinnert sich an die blühenden Landschaften, die uns Helmut Kohl in seiner Kanzlerlyrik versprach, der Gegenpol sind die schwarzen Kassen, die das Ende seiner Kanzlerschaft einleiteten. Solche gesprochenen Bilder sind emotionaler, wirkungsstärker als so abstrakte Bezeichnungen, wie Gerhard Schröder sie schätzte. Die Agenda 2010 oder die Hartz IV-Reformen sind ebenso komplexe, abstrakte Begriffe, die keine Bildwelten eröffnen. Berühmt-berüchtigt ist noch Franz Josef Strauß Kommentar zum Putsch in Chile: „Wenn Militärs die Macht übernehmen ist das was anderes, als wenn Franziskaner Suppe ausschenken.“

Auch die Bibel ist reich an dieser Bildsprache, Sie erinnern sich an „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt.“ Der schon erwähnte Martin Luther hat diese Sprachmacht mit seiner barocken Sprache noch deutlich verschärft, hier sieht man in aller Deutlichkeit, wozu Sprache mächtig ist.

Selbst schräge Vergleiche, die jeder Logik widersprechen, sind gute Bilder und meistens sehr merkfähig und zitierfreudig. Der große Curd Jürgens wurde im Interview einmal auf den Widerspruch zwischen seiner sozialdemokratischen Gesinnung und seinem Park an Luxuskarossen angesprochen und antwortete:

„Ein Sozialist im Rolls-Royce ist mir lieber als ein Nazi im Panzerwagen.“ Schräger Vergleich, aber schönes Bonmot.

Tipp

Trauen Sie sich und basteln Sie eigene Metaphern, bildhafte Vergleiche. Sorgen Sie für Überraschungseffekte bei Ihren Zuhörern, indem Sie neue, wenig abgenutzte Bilderwelten erschließen. Dass wir die Segel neu setzen, wenn der Wind sich dreht, haben wir inzwischen alle verstanden. Fällt Ihnen ein anderes Motiv ein?

11.3. Rhetorische Stillmittel: Worte wählen, Sätze bilden.

Viele Redner landen in Sprachhülsen und Formelsätzen, die kein Mensch so sagen würde. Beispiel: „Ich möchte hier und heute den Standpunkt vertreten, dass man Erwägungen anstellen sollte, um die richtige Lösung um- und durchzusetzen.“

Ein fast inhaltsleerer Satz, der viel Talmi um sein inhaltliches Nichts ansammelt. Das psychologische Gesetz der abnehmenden Reizwirkung besagt:

Ein Reiz nimmt bei ständiger Wiederholung an Wirkung ab.

Das dritte Glas Wasser schmeckt dem Durstenden weit weniger als das erste. Dieses Gesetz gilt nicht nur in Leben, Liebe, Kunst und Leidenschaft, sondern genauso im Redestil. Werden Sie zum Wortsammler, sammeln Sie seltene ungewöhnliche Wort und benutzen Sie diese in Maßen. Sie werden überrascht werden, wie viele Menschen nachfragen, weil sie zunächst irritiert sind.

Nehmen Sie sich jeden Tag drei von Ihnen wenig genutzte Worte vor und benutzen Sie diese am gleichen Tag. Schreiben Sie sie ruhig auf, um sich abends selbst zu überprüfen. Eine weitere Übung: Hemingway war für seine kurzen Sätze berühmt, Thomas Mann für seine langen, beide Nobelpreisträger schätzten sich trotzdem. Versuchen Sie, den gleichen Inhalt in einem Hemingway- und einem Mann-Satz zu sagen.

Wir unterscheiden den passiven und den aktiven Wortschatz. Passiv nennen wir die Wörter, die wir verstehen, aktiv die Wörter, die wir selbst verwenden. Der gewöhnliche Zeitgenosse kommt mit aktiven 2.000 – 3.000 Worten zurecht, bei Goethe haben wir einen aktiven Wortschatz von 20.000 Worten, bei Shakespeare gar 60.000.

Es liegt auf der Hand, dass ein großer Wortschatz zu mehr Sprachmacht verhilft, das rhetorische Potenzial vervielfacht.

Tipp

Suchen Sie sich Worte, die Sie so noch nicht gehört haben und bauen diese mit Absicht in Ihre Alltagskommunikation ein. Beginnen Sie gleich heute mit dem wunderbaren Hydrozephalus (Wasserkopf).

12.1. Der Zuhörer, das unbekannte Wesen: Zuhörer sind immer auch Mitwirkende.

Das Publikum einer Unternehmensversammlung nach der dritten Kündigungswelle befindet sich in einem anderen Gemütszustand als eine Hochzeitsgesellschaft. Eine Trauerfeier ist anders gestimmt als eine Parteiveranstaltung.

Versetzen Sie sich in das Stimmungsklima Ihrer Zuhörer, gehen Sie mit Empathie auf Ihr Auditorium ein.

Aus welcher Motivation heraus hören die Besucher Ihre Rede? Ist es eine Pflichtveranstaltung oder sind sie freiwillig erschienen, haben vielleicht noch Eintritt bezahlt? Ein freiwilliges Publikum erwartet auch einen Unterhaltungswert und vielleicht etwas Insiderwissen.

Können Sie das Vorwissen beurteilen? Bei regionalen Parteiveranstaltungen

ist der Dissens oft vorprogrammiert. Hier sollten Sie eine diplomatische These- Antithese-Argumentation einbauen, um nicht Fronten entstehen zu lassen.

Als Experte mit Wissensvorsprung ist es wichtig für Sie, Ihren Vorsprung subtil in Allgemeinwissen zu transformieren. Sind eindeutig Gegner im Plenum, die ein Forum suchen, sollten Sie eine Strategie parat haben.

Tipp

Seien Sie schon vorher präsent, erkunden Sie die Stimmungslage und die Erwartungshaltung im Publikum. Bereiten Sie sich auf mögliche Kritik vor. Überlegen Sie, welche Fragen auftreten könnten. Und wie Sie darauf reagieren. Denn im Idealfall beantworten Sie Ihrem Publikum Fragen, bevor es sie stellt.

12.2. Der Zuhörer, das unbekannte Wesen: Vom Monolog zum Dialog.

Die Einbindung des Publikums in einen Quasi-Dialog ist eine wahre Meisterleistung. Dazu gibt es technische und rhetorische Möglichkeiten.

Beispiele zur Publikumsintegration.

  1. Referenzbesucher

Sie haben einen Kollegen, Bekannten, Freund im Publikum, den Sie als Dialogpartner einbauen, dem Sie Fragen stellen können oder den Sie um seine Einschätzung bitten.

  1. Schätzfragen

Sie stellen Ihrem Publikum Fragen, es soll Fakten einschätzen, etwa die Zahl der Veganer auf einem Lebensmittelkongress. Mit den realen Zahlen können Sie meist verblüffen, Sie können dem, der mit seiner Schätzung der Realität am nächsten kam, einen Piccolo Champagner überreichen.

  1. Ted-Analyse

Mit den übliche Ted-Geräten können Sie im Publikum Zustimmung und Ablehnung zahlenmäßig erfassen. Bei einer Baumaßnahme können Sie Befür- worter und Ablehner zahlenmäßig darstellen.

Mittlerweile bietet das Unternehmen unter OnlineTED.de die Möglichkeit, ohne eigenes Gerät oder den Download spezieller Software Abstimmungen durchzu- führen, etwa über Smartphones. Auch Apps als Interaktionstools lassen sich wunderbar einplanen.

  1. Sparrings-Partner

Sie Bitten einen Zuhörer um Assistenz, weisen ihm eine Rolle zu, bitten ihn, die Gegenposition zu vertreten oder im Auditorium Meinungen einzufangen.

  1. Wetten dass?

Sie bieten dem Publikum eine Saalwette an, machen Ihren stärksten Wider- sacher zum Antagonisten und haben so eine veritablen Showdown, der Ihre Meinungsoffenheit betont.

  1. Hände hoch!

Stellen Sie dem gesamten Publikum eine Frage. „Wer von Ihnen bügelt seine Unterwäsche?“ Die betreffenden Personen sollen sich mit Handzeichen melden. So können Sie Statistiken erfahrbar machen oder die Häufigkeit bzw. Seltenheit eines Phänomens betonen.

13.1. Der Redner tritt auf, das Pult wird zur Bühne: Schau. Spiel. Sein.

Friedrich Schiller hat treffend bemerkt, dass der Mensch nur da Mensch ist, wo er spielt. Und darum spielen wir Rollen, je nach Ort und Situation.

Ob Finanzexperte oder Forschungsreisender, ob Vater der Braut oder trauernder Hinterbliebener, die meisten Reden werden in einer gewissen Rolle gehalten. Und so, wie eine Büttenrede nur Spass, Vergnügen, Lachen auslösen soll, so will eine Parteitagsrede das Publikum zur Parteinahme anstiften. Ihr Rollenverständnis sollte Ihnen also klar sein, es bestimmt Ziel und Haltung der Rede.

Dabei ist die Rede dem Monolog im klassischen Theater sehr ähnlich.

Und wenn Sie einen Schiller- oder Shakespeare-Monolog als Zuschauer verfolgen, werden Sie die sprachliche Gestaltungsmacht des Schauspielers als Beispiel der Redekunst erleben. Nehmen Sie sich das zum Vorbild. Jede Rede braucht einen dramatischen Impetus.

Tipp

Legen Sie sich Sätze zurecht, mit denen Sie auf Zwischenrufe reagieren. Die Vorbereitung hilft Ihnen, in der Situation selbstbewusst aufzutreten. So nehmen Sie Provokateuren den Wind aus den Segeln. Üben Sie sich in der Kunst der Gegenfrage, dies hilft, mögliche Generalisierungen der Frage zu präzisieren.

Tipp

Wie würden Sie den Inhalt Ihrer Rede in der Unterhaltung mit einem guten Freund darstellen? In dieser Situation sind Sie ungezwungen und authentisch. Orientieren Sie sich an dieser Vorstellung, während Sie Ihre Rede vorbereiten.

13.2. Der Redner tritt auf, das Pult wird zur Bühne: Authentizität und Außenwirkung.

Authentisch aufzutreten ist die Leistung Ihrer Persönlichkeit, das Überzeugen mit Ihrer Person.

Das beginnt mit dem Weg zum Podium, das bedeutet eine saubere Stimmführung, eine angemessene Lautstärke, einen festen Stand. Wenn Sie ein gestenreicher Mensch sind, lassen Sie das ganz natürlich in Ihre Rede einfließen.

Und wenn Sie einen Dialekt sprechen, verleugnen Sie das nicht mit der Suche nach dem reinen Hochdeutsch.

Der authentische Redner ist immer bei seinem Publikum, hält die Spannung, führt durch seine Inhalte und unterhält sein Auditorium.

Der andere Redner schleicht zum Pult, packt einen kleinen Zettel aus und liest vom ersten Satz bis zum letzten Wort, ohne sein Publikum anzuschauen oder einzubeziehen. Jeder hat wohl schon einmal einen Vertreter dieser Spezies durchlitten.

13.3. Der Redner tritt auf, das Pult wird zur Bühne: Ein Instrument namens Stimme.

Stimme ist Stimmung. Wie hoch der Punkteabzug bei Reden und Präsentationen ist, der auf eine unsichere, monotone Stimme zurückzuführen ist, können wir nur schwer schätzen.

Sicher ist: Stimme und Sprechweise sind eine wesentliche Basis für unsere Außenwirkung. Und hier fließen mit ein: Melodieführung, Klangfarbe, Lautstärke und Betonung, Tempo und Pausen.

Stimm-Gewalt

Erinnern Sie sich noch an den ruhigen tiefschwarzen Bass eines Willi Brandt, an die barocke Orgelstimme von Franz Josef Strauß oder an den sonoren staatstragenden Bariton eines Gerhard Schröder. Die Stimme ist eines der mächtigsten Organe, sie kann Menschen zum Lachen oder Weinen bringen, sie kann Glauben schaffen oder Zweifel wecken, da ist der Inhalt Ihrer Worte gar zweitrangig. Die Stimme ist quasi die akustische Körpersprache.

Stimm-Training

Die Stimme kann man trainieren wie jeden Muskel. Sänger müssen das täglich, Sie sollten spätestens vor der nächsten Präsentation die Stimme lockern und sich freisprechen. Die Höhenlage der Stimme hängt ab von der Anatomie der Stimmlippen, ist aber in gewissem Umfang auch trainierbar. Wenn eine Stimme wie die der Callas mühelos sechs Oktaven umfasst, dann sehen wir daran, was technisch möglich ist. Versuchen Sie, etwa bei Telefonaten Ihre Stimmtiefe zu trainieren, denn eine tiefe Stimme ist angenehmer für das menschliche Ohr und strahlt Kompetenz und Reife aus.

Stimm-Führung

Wer monoton spricht, redet am Publikum vorbei. Trainieren Sie den Wechsel von Lautstärke und Sprachgeschwindigkeit, beide sind gut steuerbar und machen Ihre Aussagen packender und prägnanter. Gerade bei der Lautstärke können Sie die Mittellage entwickeln wie ein Instrument, schon kleine Nuancierungen machen Ihre Sprache spannender, die Extreme sollten Sie meiden. Polternde Lautstärke wird als abschreckend und dominant empfunden, der Leisesprecher wird oft einfach nicht verstanden.

Stimm-Studium

Wenn Sie Anleitung wünschen, können Sie natürlich gerne ein Stimmtraining bei momentum buchen. Sie können auch einen Schauspieler fragen, diese Berufsgruppe ist besonders intensiv stimmlich geschult.

Tipp

Sprache ist Silber, Pausen sind Gold. Nutzen Sie die Dramaturgie der Pause, z. B. um Schlüsselworte zu betonen. Unterscheiden Sie dabei die Spannungspause, die bewusste Pause vor dem Schlüsselwort und die Wirkpause, die kontrollierte Pause nach dem Schlüsselwort. Beides können Sie ideal beim Telefonieren trainieren.

14. Die 10 Gebote für Redner

  1. Worüber Sie auch sprechen, es gilt: Du sollst nicht langweilen.
  2. Formulieren Sie ein Ziel, was Ihre Rede bewirken soll.
  3. Definieren Sie die Rolle, in der Sie zum Auditorium sprechen.
  4. Sprechen Sie laut genug. Testen Sie den Raum. Fragen Sie Ihr Publikum, ob es Sie gut versteht.
  5. Treten Sie authentisch auf.
  1. Geben Sie Zeitdauer und Thema Ihrer Rede vorher bekannt.
  2. Halten Sie sich an Ihren roten Faden.
  3. Schauen Sie Ihr Publikum an, nicht Ihr Manuskript.
  4. Lernen Sie den ersten und letzten Satz auswendig, dazwischen arbeiten Sie mit Notizen in Stichworten.
  5. Verändern Sie ruhig Tempo und Lautstärke, das baut Spannung auf.