Sind Sie auch ein Schnellsprecher?

Wissen Sie, dass fast achtzig Prozent der Redner, Sprecher, Lehrer zu schnell sprechen?
Hören Sie doch mal bewusst zu.

Beim Verkehrsfunk hören Sie oft die Raser. Es ist, als wollten die Sprecher schnell wieder zu ihrer Musik kommen. Das ist ja auch das Wichtigste der Sendung. Die Verkehrsnachrichten kommen schnell mal so zwischendurch.

Halt, hier muss unser Stoppschild kommen. Wir sind bei dem „Warum“. Warum, wann wird meist zu schnell gesprochen? Wenn wir das Thema nicht so wichtig nehmen, es sozusagen nebenbei behandeln.
Konkrete Hilfe in diesem Fall: Die geistige Haltung, die Einstellung ändern.

Selbst wenn wir es nicht für so wichtig halten, könnte es für den anderen von Wert, vielleicht sogar entscheidend oder richtungsweisend sein.

Übungsblatt Spielerische Verwandlung für den Nebenbeisprecher

Stellen Sie sich eine Situation vor, die Sie für sehr wichtig halten. Was könnte das sein? Vielleicht das berufliche Weiterkommen. Oder die Suche nach innerer Harmonie. Und nun konzentrieren Sie sich auf diesen Gedanken und sagen bewusst jedes Wort wie einen Faustschlag:

  • Ich halte es für wichtig,  Ziele zu verwirklichen.
  • Ich strebe nach innerer Harmonie
  • Ich will in meinem Beruf weiterkommen.

Erkennen Sie, wie wir vorgehen? Unser Ansatz geht von innen nach außen.

Und nun freie Fahrt  zum nächsten Schnellsprecher, Lehrer, Verkäufer.
Sie erkennen bei dieser Gruppe sicher sofort die Gefahr zum monotonen und schnellen Sprechen.
Routine. Immer wieder das eine Thema. Wie auf Knopfdruck spult man es ab.
Wir können es auch Computersprechen nennen. Das, was wir zu sagen haben, ist jeder Zeit abrufbar.

Also Herr Professor, Herr Verkäufer, Herr Sprecher und Herr Redner, haben Sie Mitleid, Mitgefühl mit ihren Zuhörern. Denken Sie daran, dass es neue Gesprächspartner, Mitarbeiter, Zuhörer sind.
Sie warten auf Ihre Worte, auf Ihr Wissen, auf Ihre Erkenntnisse.

Nun die Übungen:
Morgens nach dem Aufstehen denken und sagen Sie konzentriert:
Heute ist ein guter Tag,
ein einmaliger Tag,
ein Tag, der nie wieder kommt.

Vor der Vorlesung, vor dem Vortrag, der Besprechung oder Verhandlung rufen Sie bewusst und konzentriert aus:

Ich will Ihnen das Neue sagen,
Sie sollen das neue erfahren!

Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Prophet. Das finden Sie zu komisch?
Ach spielen Sie doch mit! Denn nur so funktioniert unsere „spielerische Verwandlung“.
Heben Sie die Hände nach oben und sagen Sie langsam und getragen:

Meine Gedanken kommen von Oben
und nun will ich sie Euch geben.

Ein Wundermittel für alle Schnellsprecher und eine Übung,
um konzentriert zu einer An-Sprache zu kommen. Nehmen Sie alle Übungen so.
Sie zielen konkret auf den jeweiligen Fall, die besondere Situation.
Darüber hinaus bauen Sie damit Ihre rhetorischen Fähigkeiten, Ihre Konzentration, Ihre Persönlichkeit weiter auf.

Bleiben wir beim Sprechrenner! Wo finden wir ihn noch?
Denken sie an Politiker, Moderatoren. Sie haben eine gewisse Zeit zur Verfügung und in der wollen sie möglichst viel sagen. In der Beschränkung liegt der Meister, hat Goethe gesagt.
Und er schrieb mehr, als jeder andere Dichter. Aber bei „Dichter“ haben wir schon
die Hinführung zur Verbesserung. Verdichten Sie Ihre Informationen. Für eine Woche Urlaub werden Sie etwas anderes planen, als für einen Monat.

Fragen Sie sich also:

Was ist das wichtigste?
Wofür interessieren sich die Zuhörer besonders?
Was können wir in der zur Verfügung stehenden Zeit aufnehmen?

Wie war es? Unruhen im israelischen Volk entstanden, weil es so lange auf der Flucht ins gelobte Land war. Moses kam vom Berg und brachte 10 Gebote mit.
Nein, kein Buch mit 533 Seiten. 10 Gebote und jeder wusste, worum es geht.

Sie meinen das ist zu einfach? Aber grade das ist die Frage, die sich jeder Lehrer, Redner, Fachmann oder Geisteswissenschaftler stellen muss. Wie kann ich einen schwierigen Sachverhalt kurz und verständlich an den Zuhörer bringen?

Greifen wir die 10 Gebote noch einmal auf. Behandeln Sie nie mehr als zehn Themen, zehn Punkte, wenn Ihre Redezeit kurz ist.
Wie viel Vortragszeit brauchen Sie für das Thema: Die Natur zeigt uns etwas von unserem Leben?
Nein, Sie brauchen es nicht beantworten. Hören Sie den Meister der Beschränkung. Lesen bitte laut mit:

Über allen Gipfeln ist Ruh,
in allen Wipfeln spürest du
kaum einen Hauch…

Lesen Sie Gedichte. Das lässt Sie empfindsam werden für die Dichte der Sprache.
Auch in kurzer Zeit lässt sich vieles sagen.

Welche Ursachen könnte es noch für  zu schnelles Sprechen geben?
Warum reden manche wie ein Wasserfall?

Weil es aus ihnen grade so herausquillt. Sie sprudeln über. Sie sind voll von Ideen, von Gefühlen, sie müssen sich einfach mitteilen. Aber gehen wir als Zuhörer nicht unter in der Flut der vielen, schnellgeäußerten Gedanken?

Ratschläge für den Gefühlvollen.
Atmen Sie tief durch. Sagen Sie langsam und konzentriert:

Es ist eine wunderbare Idee.
Warten Sie einen Augenblick,
Sie werden gleich davon hören.

Oder stellen Sie sich vor, Sie sind voller Liebe für „sie“ und „ihn“. Sagen Sie nun aus dieser Vorstellung heraus gefühlvoll, aber langsam:

Ich mag dich.
Oder
Dich liebe ich.

Dem Schnellsprecher liegt das natürlich überhaupt nicht. Ihm geben wir die „Schnecken-Übung“. Auch die Schnecke… kommt zum Ziel.
Ach, da gibt es von Lessing eine vortreffliche Fabel:
Die Schnecke…Fabelhaft, wie Sie gelesen haben.
Genügt es mit der Schnellsprecherei?

Beinahe hätten wir unsere hübsche Marketingleiterin vergessen.
Stress, Hektik, Nervosität waren die Gründe ihres hastigen Sprechens.
Wir gaben ihr den Rat, einmal im Liegen zu sprechen.
Versuchen Sie es doch auch. Merken Sie, wie entspannt Sie sich im Liegen fühlen?
Das Atmen wird ruhiger und damit auch das Sprechen. Atmen Sie bitte ein
und sprechen Sie einen Gedanken aus. Wiederholen Sie diese Übung mehrmals.

Wen müssten Sie noch kennenlernen?

Ich mache Sie einfach mit verschiedenen Seminarteilnehmern bekannt.
Mit ihren Stärken und Schwierigkeiten, die Sie mitentdecken können.

„Das Leben besteht aus Begegnungen“, hat der große Philosoph Martin Buber gesagt. Haben Sie das nicht auch schon empfunden, bei Gesprächen, beim Kennenlernen interessanter Menschen?

Die Gefahr beim Schreiben und auch beim Sprechen ist, dass wir in einen leeren Raum schreiben und sprechen. Wir tun es nun für uns, für unser „Ich“.
Das „Du“ vergessen wir oft. So wie der routinierte Witzeerzähler seine 54 Witze erzählt, egal, ob die anderen es wollen oder nicht. Ideal wäre es natürlich,
wenn sich Buchautor und Leser sehen könnten. Wenn sie vertraut miteinander würden. Wenn sie sich begegneten.

Sicher haben sie schon erlebt, dass Ihnen ein Buch besonders vertraut wurde,
weil der Autor Sie seine Geschichte miterleben ließ. Denken Sie an die Leseerlebnisse in Ihrer Kindheit. Meine ersten Lesefreuden bereitete mir,
wie so vielen, Karl May. Ich habe den Winnetou gesehen, verehrt,
mit ihm gelesen und gelitten. Das funktionierte deshalb, weil der Schriftsteller May
mich hineinzog in seine Geschichten. Weil er es verstand, bildhaft mit dem Leser zu sprechen. Und das eben nicht mit irgendeinem Leser, sondern mit mir.

Wäre es nicht ein Erlebnis, wenn uns das auch beim Lesen von Sach- und Lehrbüchern „passieren“ würde?

Ich versuche jetzt, Sie zu sehen. Ich erblicke eine blonde Frau im dunklen Kleid.
Es ist wie in einem Film. Vor meinen Augen tauchen Frauen, Männer auf,
die in einem Buch lesen. Und das in ganz verschiedenen Situationen.
In einer Bibliothek, daheim im guten alten Ohrensessel, liegend auf dem Sofa,
in einer überfüllten Straßenbahn, auf einer Gartenbank, im Strandkorb.

Erkennen Sie schon das Geheimnis für die Vorbereitung einer Rede oder Verhandlung?

Sehen Sie Ihre Zuhörer, Ihre Partner! Und schon beginnen Sie,
mit ihnen zu sprechen. Dann sind es nicht anonyme kluge Worte,
sondern Worte nur für sie oder ihn.

Er hatte einen schmalen, ausdrucksstarken Kopf. Die Goldrandbrille rundet sein Gesicht ab. Sie gab den klugen Augen den rechten Rahmen. Sehen auch Sie einen Geisteswissenschaftler vor sich? Eben der ist unser Mann, aber mehr noch,
er ist Politiker dazu. Aber da sah man ihm nicht an, dem stillen, immer nachdenklich aussehenden Wissenschaftler. Nur der Stille wollte er nicht bleiben,
er hatte ja etwas zu sagen. Also war er nach Bornheim gekommen,
um Hilfe zu finden.

Der Schweizer Psychologe Jung, Carl Gustav heißt er mit Vornamen,
hat vom intro- und extrovertierten, auch extravertierten, Menschen geschrieben.
Unser Professor und Politiker war der typische Introvertierte. Wenn er sprach,
war es ein Philosophieren auf höchstem geistigen Niveau. Nun gut.
Aber kaum einer verstand ihn. Und das, wo er so gern verstanden werden wollte,
in seiner Partei, in seiner Wählerschaft.

Nun geht es an die Verwandlung!
Zählen Sie auch zu den introvertierten, zu den nach innen gekehrten Menschen?
Oh nein, das ist durchaus nichts Negatives. Was wäre die Welt ohne Denker, ohne Philosophen. Und jede Regierung, jede Partei, jeder Firma benötigt jene,
die vorausdenken. Sei es in der Planung, in der Forschung, in der Organisation der Arbeit. Die nach innen gekehrte Haltung wird oft schon durch die Körpersprache sichtbar. Arme und Hände deuten zum eigenen Körper. Probieren Sie es einmal aus.
Haben Sie einen großen Spiegel?

Verschränken Sie bitte Ihre Arme vor der Brust. Wie wirkt das?
Suchen Sie nun gedanklich nach der Antwort. Welche Gesten machen Sie dabei?
Wenn Sie grübeln, haben sie vielleicht eine Hand zu Ihrem Kopf geführt.
Und wenn Sie über eine besonders wichtige Frage nachdenken,
sind Sie fast schon bei der klassischen Geste des Hamlet: Sein oder nicht Sein, das ist die Frage. Auch dabei kommt man zu einer typisch introvertierten Haltung.
Probieren Sie es doch einmal vor Ihrem Spiegle aus! Stimmts?

Die nach innen gekehrte Haltung, Einstellung, ist die Vorsprache der sprachlichen Kommunikation. Sie führt zur Konzentration, zur Energie. Mit der Sprache schließlich
leiten wir diese Energie weiter, vom Ich zum Du.

Denken wir es nicht nur, tun wir es, lassen wir unseren Körper bewusst sprechen!
Ist jemand in Ihrer Nähe?

Fassen Sie ihn mit beiden Händen an, schütteln Sie ihn ein wenig und sagen Sie:
Dich spreche ich an,
dir will ich etwas sagen.

Wenn Sie allein sind, stellen Sie sich Ihre Gegenüber vor und sagen ihm:
Dich spreche ich an,
dir will ich etwas sagen.

Das ist Ihnen unangenehm? Sie kommen sich dabei komisch vor?
Gerade dann ist es wichtig, das Unwohlsein zu überwinden. Unser Professor und alle anderen Seminarteilnehmer haben das auch getan.

Und wenn man Rhetorik mit Hilfe eines Buches lehren und lernen möchte, dann gehört dazu, das man mitspielt.

Konzentrieren Sie sich auf Situationen, in denen Sie sich öffnen.
Wie drücke Sie es körperlich aus, wenn Sie sehr froh sind und sagen:

Heut möchte ich die ganze Welt umarmen!

Haben Sie in den Spiegel gesehen? Haben Sie entdeckt, das Ihre Arme sich öffneten, bereit wurden?
Ja richtig, es ist die Geste zur Welt,
zu allen Menschen hin.

Wenn ich mich bewege, bewegen sich meine Worte und meine Worte sollen die Menschen bewegen.

Stellen Sie sich in den nächsten Tagen bei Ihren Gesprächen vor, Ihre Worte gingen von Ihrem Mund hin zum Kopf und zum Herzen Ihres Gesprächspartners. Das ist nicht nur eine Methode, von innen nach außen zu sprechen, vom Ich zum Du kommen. Das ist auch eine Weg zum deutlichen Sprechen: Bei vielen, die undeutlich sprechen, liegt es nämlich daran, das sie zu sich sprechen. Deshalb erreichen Ihre Worte den Gesprächspartner nicht.

Ein anderer Grund ist sicher, dass wir grade im Berufsalltag zu sehr den Kopf ansprechen. Das kommt nicht von ungefähr. Denken Sie einmal an unserer Schul- und Ausbildungszeit. Wurde nicht vor allem der Kopf, der Verstand angesprochen?

Natürlich wollen wir nicht kopflos werden. Doch wir sollten uns auch unserer Gefühle bewusst machen.

Stellen Sie sich also beim Aufbau Ihrer Rede die Frage: Wann empfinden die Zuhörer meine Worte?

Da fällt mir ein, das wir über unsere wichtigsten Wünsche, über die Motive unseres Handels nachdenken sollten. Aber dazu später. Jetzt zeigen wir Gefühle:
Ich bin voller Gefühl und Leidenschaft.

Merken Sie, wie über das Spiel Ihr Gefühl für die Sprache wächst?
Und wie gefühlvoll und leidenschaftlich  Ihr Sprechen wird?

Einer der größten Theologen unserer Zeit, Roman Guardini, hat ein Buch über das Spiel geschrieben.
Darin erzählt er, wie Kulturen aus dem Spiel entstanden sind.
Seine Vorlesungen in München waren für mich ein prägendes Ereignis.
Wenn er in der großen Aula die Hände zu den bis oben gefüllten Rängen streckte,
war es, als sendete Gott seine Worte durch ihn hindurch zu den Menschen.

Spielen wir weiter. Ihre Phantasie ist dabei natürlich wieder gefragt.

Versetzen Sie sich ins Mittelalter. Es ist die Zeit der Bauernaufstände.
Im Lande brodelt es. Die Geknechteten strömen zuhauf. Sie sind ihr Führer.
Auf Sie hört man. Sie werden von der erregten Menge auf einen umgestürzten Karren gehoben. Breit und sicher stehen Sie dort. Breit und entschlossen sind auch Ihre Bewegungen. Ihre Hände ballen sich zur Faust und Sie rufen Ihren Mannen zu:

Wir kämpfen für Gerechtigkeit!