Innere Antreiber kennenlernen: Eine Selbsteinschätzung

Etwa 20.000 Entscheidungen treffen wir – täglich (so Hirnforscher Dr. Ernst Pöppel). Die meisten davon werden unbewusst und intuitiv entschieden. Was hilft unserem Gehirn, diese Entscheidungen zu treffen, zumal wir einige Entscheidungen blitzschnell treffen können? Als Grundlage für unsere Entscheidungen gelten die sogenannten inneren Antreiber. Das sind innere Steuerungsmuster, auch Motivatoren genannt. Sie geben uns Orientierung und prägen unser Denken, Fühlen und Handeln. Gerade weil diese Motivatoren unbewusst wirken, lohnt sich eine Reflexion darüber, was uns wirklich antreibt. Machen Sie hier die Selbsteinschätzung und erfahren Sie, welche Glaubenssätze für Sie charakteristisch sind und wie Sie damit umgehen können.

Das Konzept der inneren Antreiber stammt ursprünglich aus der Transaktionsanalyse (das ist eine Theorie der menschlichen Persönlichkeit, entwickelt Mitte der 50er-Jahre von dem amerikanischen Psychologen Eric Berne).

Wie viele unserer inneren Muster entstehen die Antreiber schon früh im Kindesalter. Hier greifen wir die Stimmen von äußeren Autoritäten auf und verinnerlichen sie so, dass sie integraler Bestandteil unserer Persönlichkeit, unseres Selbst werden. Solche Autoritäten sind die Eltern oder andere, wichtige Bezugspersonen, aber auch prägende Lebensumstände wie zum Beispiel der Kulturkreis, in dem wir aufwachsen. Denn als Kind sind wir völlig abhängig von der Liebe und Zuwendung unserer Eltern oder anderer wichtiger Bezugspersonen. Unsere feinen Antennen lassen uns als Kleinstkinder schnell lernen: Für welches Verhalten erhalten wir eher diese Zuwendung und Aufmerksamkeit, für welches gezeigte Verhalten eher nicht? Mit welchem Verhalten setzen wir die Liebe eventuell sogar auf`s Spiel?

Im kindlichen Altern waren unsere Verhaltensstrategien, die wir aus den elterlichen Botschaften entwickelt haben, wichtig und richtig. Für uns im Erwachsenenleben können bestimmte Verhaltensweisen eventuell gar nicht mehr nützlich sein oder einfach nicht (mehr) zur Situation passen. Daher ist es wichtig, unsere „inneren Antreiber“ bewusst zu machen, sie zu reflektieren und kennenzulernen. So können wir gegensteuern und dem einen oder anderen Antreiber auch widersprechen.

Hier geht es auf keinen Fall darum, die Antreiber aus dem Leben völlig zu verbannen, nein, das wäre ja fatal. Wichtig ist, die Antreiber zu kennen und auf Ihre aktuelle Nützlichkeit für einen selbst zu überprüfen.

Übrigens gibt es zu jedem Antreiber so etwas wie einen inneren Gegenspieler, meist „Erlauber“ genannt. Die Stimme des „Erlaubers“ ist genauso in uns vorhanden wie die des Antreibers – nur leider wahrscheinlich ziemlich leise, ja manchmal vielleicht sogar ganz unhörbar. Unsere Aufgabe besteht also darin, auf Spurensuche zu gehen, nach unseren Antreibern aber auch nach unserern Erlaubern. So schaffen wir es, den Erlaubern wieder etwas mehr Gehör zu verschaffen und dem Antreiber gleichzeitig etwas von seiner übergroßen inneren Präsenz zu entziehen.

In der folgenden Übersicht stellen wir Ihnen typische Antreiber vor, die wir alle in verschiedenen Ausprägungen kennen. Wo ordnen Sie sich ein? Wo sehen Sie selber für sich persönlich die stärkste Ausprägung? Und was bedeutet das für Sie?
Hier finden Sie auch ganz praktische Anregungen, wie Sie im Alltag mit diesem Antreiber umgehen können und wie Sie lernen, Ihre inneren Erlauber zu stärken und zu unterstützen.

Sei perfekt! (Der Perfektionist)

Die Botschaft:

Fordert ständige Vollkommenheit und andauernde Übererreichung deiner Ziele. Er erlaubt dir nicht, Dinge nur „gut“ oder „ausreichend“ zu erledigen oder auch einfach mal Fünfe gerade sein zu lassen. Fehler sind eine Katastrophe in seinen Augen und deshalb unbedingt zu vermeiden. Andererseits ist er natürlich ein guter Helfer, wenn es darum geht, Aufgaben sorgfältig und genau zu erfüllen.

Sätze, die dein innerer Erlauber diesem Antreiber entgegen halten könnte:

  • Ich darf Fehler machen und aus ihnen lernen.
  • Manchmal sind 90 % vollkommen ausreichend.
  • Ich bin gut genug, so wie ich bin.
  • Ich gebe mein Bestes, und das ist genug.
  • So, wie ich bin, bin ich liebenswert.

Auch noch wichtig bei diesem Antreiber:

  • Achte im Alltag darauf, wie oft du dazu neigst, dich zu rechtfertigen oder mögliche Kritik an dem, was du tust, schon mal vorsorglich vorwegzunehmen, bevor jemand anderes auch nur den Mund aufmachen kann. Versuche, diesen Impuls ab und zu zu unterdrücken.
  • Beobachte dich daraufhin, wie oft du selbst andere kritisierst – verbal oder nonverbal. Versuche, auch diesen Impuls öfter mal zu unterdrücken. Wie verändert das deine sozialen Beziehungen?
  • Mach einmal in der Woche absichtlich etwas nicht so gut, wie du es eigentlich machen könntest oder brich eine Aufgabe kurz vor der Fertigstellung ab. Halte das Gefühl der Unzulänglichkeit, das dies in dir auslöst, bewusst aus.

Beeil Dich! (Der Hektiker)

Die Botschaft:

Erledige alles schnell was du tust. Er verbietet dir nicht nur das Langsamsein, sondern auch das Verweilen in der Gegenwart. Damit hindert er dich daran, wirklich in Dinge einzutauchen und in gewisser Hinsicht auch, anderen Menschen wirklich nahe zu kommen. Positiv betrachtet ist er auch die Grundlage für Entscheidungsfreude und effizientes Handeln in deinem Leben.

Sätze, die dein innerer Erlauber diesem Antreiber entgegen halten könnte:

  • Meine Zeit gehört mir.
  • Ich darf mir die Zeit nehme, die ich brauche.
  • Ich darf Pausen machen.
  • Manches darf auch länger dauern.

Auch noch wichtig bei diesem Antreiber:

  • Beobachte dich selbst im Alltag oder nimm dich, während du mit anderen sprichst oder einen Vortrag hältst, einmal auf Tonband oder Video auf. Sprichst du schnell, abgehakt und ohne Punkt und Komma? Versuche, dich bewusst im Sprechtempo zu mäßigen.
  • Wie oft verwendest du Ausdrücke, die Eile und Tempo zum Ausdruck bringen – „mal eben rasch“, „so schnell wie möglich“, „gleich noch“ usw.? Wie oft unterbrichst du andere, wenn sie sprechen? Kannst du diese Impulse unterdrücken?
  • Schau dir deinen Kalender der letzten Wochen und Monate an. Enthält er auch Leerzeiten, Phasen, in denen keine Einträge vorhanden sind? Gibt es von dir freigehaltene Ausruh- und Entspannungphasen? Oder hüpfst du von einer Tätigkeit zur nächsten und kommst nie zum Stillstand? Probiere aus, was sich verändert, wenn du bewusst Zeiten des Nichtstuns in deinen Tagesablauf einbaust!
  • Beobachte dich daraufhin, wie oft du selbst andere kritisierst – verbal oder nonverbal. Versuche, auch diesen Impuls öfter mal zu unterdrücken. Wie verändert das deine sozialen Beziehungen?
  • Mach einmal in der Woche absichtlich etwas nicht so gut, wie du es eigentlich machen könntest oder brich eine Aufgabe kurz vor der Fertigstellung ab. Halte das Gefühl der Unzulänglichkeit, das dies in dir auslöst, bewusst aus.

Sei stark! (Das Arbeitstier)

Die Botschaft:

  • Du musst unbedingt alles alleine schaffen und durchziehen.
    Hilfsbedürftigkeit schafft in seinen Augen Abhängigkeit, und die gilt es um jeden Preis zu vermeiden. Er zwingt dich, die Zähne zusammenzubeißen und deine Gefühle jederzeit unter Kontrolle zu halten, um dir ja keine Blöße zu geben. Sein Plus: er schenkt dir viel Kraft und Vorsicht.

Sätze, die dein innerer Erlauber diesem Antreiber entgegen halten könnte:

  • Ich darf offen sein.
  • Ich darf vertrauen.
  • Ich darf anderen meine Wünsche mitteilen.
  • Ich darf mir Hilfe holen und sie annehmen.
  • Gefühle zu zeigen ist erlaubt und ein Zeichen von Stärke.

Auch noch wichtig bei diesem Antreiber:

  • Beobachte dich im Alltag mal selbst und registriere bewusst, wie oft du Gefühlsregungen beiseite schiebst oder gewaltsam unterdrückst. Versuche, wenigstens ab und zu etwas von diesen Gefühlen nach außen dringen zu lassen.
  • Bitte einmal in der Woche jemanden um Hilfe bei einer Tätigkeit, die du eigentlich auch alleine erledigen könntest.
  • Lächle doch einfach öfter mal ohne konkreten Anlass!

Streng Dich an! (Der Kraftpotz)

Die Botschaft:

  • Nur das, was mit viel Mühe und Schweiß errungen wurde, ist wertvoll und hat Anerkennung verdient. Er feuert dich an, auf keinen Fall nachzulassen in deinen Bemühungen oder vorzeitig aufzugeben. Unter seinem Einfluss darfst du dich weder gehen lassen noch die Früchte deiner Arbeit genießen. Sein positiver Aspekt: er ist die Wurzel deines außergewöhnlichen Beharrungs- und Durchhaltevermögens.

Sätze, die dein innerer Erlauber diesem Antreiber entgegen halten könnte:

  • Meine Kraft gehört mir.
  • Ich darf mir helfen lassen.
  • Ich darf, was ich tue, gelassen, lustvoll und locker tun und vollenden.
  • Auch was leicht geht und Freude macht, ist wertvoll.
  • Ich darf mich über Erreichtes freuen und ausruhen.

Auch noch wichtig bei diesem Antreiber:

  • Hör dir im Alltag öfter einmal selbst zu. Wie oft verwendest du Ausdrücke wie: „Wenn ich mir Mühe gebe …“, „Ich könnte es versuchen …“, „Das wird schwierig, aber …“ und dergleichen? Frag dich, was du mit ihnen bei deinem Gegenüber erreichen willst und ob du sie auch weglassen könntest.
  • Überprüfe deine Ziele nach der SMART-Methode. Vor allem der Aspekt „realistisch“ ist dabei wichtig für dich!
  • Bitte zweimal in der Woche eine Person deiner Wahl um Hilfe bei einer Aufgabe, die du eigentlich auch allein erledigen könntest.

Mach es allen recht! Sei gefällig! (Everybodys Darling)

Botschaft:

  • Alle anderen sind immer wichtiger als du selbst. Mehr noch: Er flüstert dir ein, dass es in deiner Verantwortung liegt, dass sich alle anderen wohlfühlen. Er verbietet dir, dich angemessen um deine eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu kümmern. Im positiven Sinne hilft er dir, gute Beziehungen zu anderen zu pflegen und gut für andere zu sorgen.

Sätze, die dein innerer Erlauber diesem Antreiber entgegen halten könnte:

  • Ich darf meine Bedürfnisse und Standpunkte ernst nehmen.
  • Ich bin ok, auch wenn jemand unzufrieden mit mir ist. Davon geht die Welt nicht unter.
  • Ich darf es auch mir selbst recht machen.
  • Ich nehme Rücksicht auf mich und auf die anderen.

Auch noch wichtig bei diesem Antreiber:

  • Beobachte dich im Alltag einmal selbst, während du mit anderen im Gespräch bist. Wie häufig nickst du, lächelst zustimmend oder machst andere, dein Gegenüber bestätigende Gesten? Kannst du diese Impulse ab und zu versuchsweise unterdrücken
  • Achte mal verstärkt auf die Art, wie du dich ausdrückst. Wie oft verwendest du Fragesätze, wenn du eigentlich Vorschläge machen oder deine Meinung sagen möchtest? Also beispielsweise: „Sollen wir heute nicht mal ins Café am Markt gehen?“ statt „Lass uns doch heute mal ins Café am Markt gehen!“? Wie oft schwächst du das, was du sagst, noch im Satz ab, indem du Floskeln wie „ein Stück weit ist es ja so, dass …“ oder „möglicherweise irre ich mich ja, aber ich denke …“ benutzt? Versuche, ab und zu direkt zu sagen, was du möchtest.
  • Bleib in der nächsten Gruppensituation, in der der Leiter eine Frage in den Raum wirft und sich unbehagliches Schweigen breit macht, still! Warte, bis ein anderer sich als erster zu Wort meldet.
  • Lehne einmal in der Woche eine Bitte von jemandem ab, obwohl du sie auch erfüllen könntest, wenn du wolltest.
  • Halte dreimal am Tag kurz inne und frage dich: Wenn es jetzt nur nach mir gehen würde – würde ich mit dem weitermachen, was ich gerade tue?

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