Charisma – Mythos, Magie oder doch Manipulation?

Charisma – was ist eine charismatische Ausstrahlung?

Charisma – ein Begriff, der uns im Alltag so oft begegnet, zu dem es aber kaum eine eindeutige und klare Definition gibt. Vielleicht liegt die Tatsache, dass immer auch ein wenig Mystik um dieses Wort rankt, darin begründet, dass der Ursprung des Wortes mit Gott und Gottheiten in Verbindung gebracht wird: Charis, die griechische Göttin der Anmut galt bei Homer als der „personifizierte Liebreiz“.  Später im Neuen Testament wird Charisma zur „Gnadengabe“, zu einem Geschenk, das die Apostel befähigt, das Wort Gottes in die Welt zu bringen. In unserem heutigen Charisma-Verständnis fehlt jeder theologische Bezug und steht ganz grob gesprochen für eine „besondere Ausstrahlung“.

Fragen wir in unseren Seminaren, was einen charismatischen Menschen ausmacht, erhalten wir immer wieder dies als erste spontane Antwort: „Eine besondere Ausstrahlung“. Doch was heißt das denn nun konkret? Fragen wir genauer nach, was diese besondere Ausstrahlung nun konkret ist, bekommen wir eine immense Spannbreite an Antworten: Anziehungskraft, positive Energie, Authentizität, Präsenz, Sympathie, Überzeugungskraft, Kompetenz, Motivation…. Die Vielzahl der Antworten zeigt: Charisma ist schwierig zu „packen“ und vor allem eins: Individuell.

Denn Charisma ist ein „Zuschreibungs-Attribut“, also eine Eigenschaft, die wir durch die Bewertung von anderen erhalten. Oder kennen Sie irgendeinen Menschen, der von sich selber sagt, er habe Charisma? Wohl kaum. Wir erhalten das wunderbare Attribut „charismatisch“ durch die Bewertung/Zuschreibung von anderen. Hier zeigt sich die soziale Komponente von Charisma: Wir brauchen andere Menschen, um charismatisch zu wirken. Und so individuell, unterschiedlich und verschieden wir sind, bewerten wir auch die Erscheinung, das Auftreten, Haltung und Sprache von anderen unterschiedlich. Damit rücken wir die Individualität, die Einzigartigkeit jedes einzelnen in den Mittelpunkt. Möchten wir also an unserem Charisma arbeiten, werden wir immer an uns selber arbeiten, unsere Persönlichkeit entwickeln.

Genauso, wie die Frage „Was ist charismatisch?“ eine Vielzahl an unterschiedlichen Antworten hervorbringt,  ist es bei der Frage „Wer ist charismatisch?“ ebenso komplex und uneindeutig. Die Bandbreite der Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die uns im Seminar genannt werden, könnte unterschiedlicher nicht sein: Von Donald Trump bis Lady Di,  von Angela Merkel bis Jürgen Klopp, von Michelle Obama bis zum Dalai Lama. Wie kann es sein, dass all diese unterschiedlichen Individualitäten und Persönlichkeiten das Attribut „charismatisch“ erhalten?

Die amerikanische Autorin und bekannte Charisma-Trainerin Olivia Fox-Cabane spricht in ihrem Buch „The charisma myth“ von unterschiedlichen Charisma-Stilen, die hierfür eine Erklärung geben können:

  • Fokus-Charisma

    Beruht auf Präsenz, also der ungeteilten Aufmerksamkeit für das Hier und Jetzt und auch auf der Aufmerksamkeit für mein Gegenüber in diesem Moment.

  • Visionäres-Charisma

    Basiert darauf, dass man den Glauben an eine bestimme Sache begeistert ausstrahlt.

  • Güte-Charisma

    Bezieht sich auf die Herzenswärme, mit der Menschen der Welt begegnen: Wohlwollend, fürsorglich, empathisch.

  • Autoritäts-Charisma

    Leitet sich aus Selbstvertrauen und Status ab. Dazu zählen auch die Position, das Amt oder Titel. Diese Menschen werden auch als mächtig wahrgenommen.

Woran machen wir nun die Bewertung von „dies ist eine charismatischer Mensch“ fest? Welche Kriterien sind dafür ausschlaggebend, dass wir einen Menschen als „charismatisch“ empfinden? Prüfen wir innerlich die verschiedenen Charisma-Stile ab und entscheiden dann: „Ja, dies zeigt diesen oder jenen Charisma-Stil, deswegen empfinde ich diese Person nun als charismatisch?“ Eine Abfrage bei unseren Teilnehmenden des Charisma-Trainings ergab eine erstaunliche Erkenntnis: Die Teilnehmenden bewerten das Charisma der anderen nicht damit, wie toll/anziehend/attraktiv/ sie eine andere Person finden, sondern eher darauf, wie toll/anziehend/attraktiv sie sich selber in der Gegenwart dieser Person fühlen! Charisma findet also immer im Austausch mit anderen statt, ist eine besonders intensive und sensible Interaktion mit sich selbst und dem anderen.

1. Kann man Charisma lernen?

 

„In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst“.

Dieses Zitat des Philosophen und Kirchenvaters Aurelius Augustinus gibt uns die Richtung vor: Die Wirkung nach außen wird bestimmt durch das Innen. Wollen wir nach außen leuchten, wird das Licht dafür in unserem Inneren angeknipst. Dieses Wirkprinzip „von innen nach außen“ ist die Basis für unser Konzept der Charisma-Entwicklung.

Wenn es also darum geht, unseren eigenen Charisma-Regler zu stärken, geht es immer um Persönlichkeits-Entwicklung. Schauen wir uns nochmal die 4 Charisma-Stile von Olivia Fox-Cabane an: Charismatische Ausstrahlung kann in unterschiedlichen Stilen ausgeprägt sein. Und gemäß unserem Naturell, unserer Charakterausprägung, unserer persönlichen Disposition wird uns ein Stil eventuell besonders entsprechen und leicht fallen, ein anderer Stil dafür gar nicht – oder wir wollen ihm auch bewusst nicht entsprechen, je nachdem, wie unsere eigene, persönliche Werte-Skala ausgeprägt ist. Wir können es entscheiden!

Machen wir uns bewusst, dass wir alles an Ressourcen, Fähigkeiten, Talenten, die wir für eine charismatische Ausstrahlung benötigen, schon in uns haben. Einige Seiten sind mehr, andere sind weniger ausgeprägt (und manchmal kaum zu sehen).

Diese Grundhaltung von „alles ist in uns“ ist unsere gesetzte Arbeitshypothese und kann uns den Start mit der Charisma-Arbeit erleichtern: natürlich wird es mir als z. B. extrovertiertem Mensch, der ständig Abwechslung und neue Impulse braucht, möglich sein, Achtsamkeit für das Hier und Jetzt aufzubringen. Und natürlich kann ich als z. B. eher introvertierter Mensch, der ungern im Mittelpunkt steht, einen Standpunkt vor einer größeren Menge an Zuhörenden vertreten – natürlich! Es wird mich nur mehr Energie kosten, mehr Kraft, die aufgebrachte Anstrengung wieder auszugleichen.

Kann man Charisma lernen? Natürlich, wir können lernen, unsere Überzeugungskraft, visionäre Energie, Begeisterung, Auftrittskompetenz, Präsenz auszubauen. Eine innere Ausgeglichenheit zu entwickeln, um mit Empathie und Einfühlungsvermögen auf andere zuzugehen. Ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wer wir sind und wofür wir stehen. Unsere Körpersprache, Stimme, Wortwahl und Kleidung unseren Wirkungszielen entsprechend anzupassen!

Lernen ist immer ein Prozess, in dem Schleifen von Wiederholen und Reflexion nötig sind. Und die Arbeit an und mit unserer Persönlichkeit ist manchmal auch anstrengend und etwas mühsam. Doch die eigene Persönlichkeit zu entfalten und nach außen zu bringen, darf auch Spaß machen und mit Leichtigkeit verbunden sein. Damit wecken wir die Kraft der Begeisterung!

2. Wie bekomme ich mehr Charisma? Und wie strahlt man Charisma aus?

Was können wir nun also konkret tun, um unser eigenes Charisma zu steigern? Wie können wir das große geheimnisvolle Wort Charisma so aufarbeiten, dass wir in ganz pragmatischen Schritten die eigene Ausstrahlung verbessern? Charisma ist doch Ausstrahlung. Und Anziehung. Eine unwiderstehliche Anziehung. Der man sich kaum entziehen kann. Um das zu steigern, auszubauen und zu stärken, gibt es viele, viele, ja sehr viele Anhaltspunkte. Es geht um einen Wirkmechanismus von innen nach außen, die Entschlüsselung dessen, was für uns charakteristisch ist, prägt und ausmacht. Um die Betrachtung unserer ganzen, individuellen Persönlichkeit.

Dabei empfehlen an folgenden Charisma-Stellhebeln zu arbeiten und diese weiterzuentwickeln.

  1. Meine Werte
    Wofür stehe ich? Was motiviert mich in meinen Handlungen?
  2. Meine Talente und Fähigkeiten
    Worin bin ich gut? Was fällt mir leicht und macht mir Spaß?
  3. Meine Rhetorik
    Statement-Techniken, Argumentations-Schemata und Gesprächs-Strukturen7
  4. Meine Außenwirkung und Visibilität
    Im Fokus stehen hier die nonverbalen Wirkkräfte: Haltung, Stand, Blickkontakt, Mimik, Gestik
  5. Die Interaktion mit anderen
    Wie kommuniziere ich mit anderen? Welche Fragen stelle ich, um damit mein echtes Interesse zu zeigen?

Wir können an allen diesen Ebenen bewusst arbeiten. Indem wir uns Feedback von anderen einholen, wir uns konstruktiv reflektieren und beobachten. Oder durch externe Quellen: Bücher, Coachings und Seminare helfen uns dabei, unseren eigenen Charisma-Stil zu entwickeln.

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Wer diesen Artikel verfasst hat

Der Artikel wurde vom Clara v. Sydow verfasst. Sie ist Geschäftsführerin und  Teil des Trainerteams des momentum – Institut für Rhetorik und Kommunikation. Unser Team besteht aus zertifizierten TrainerInnen mit langjähriger Praxis.
Die Autor:innen vereinen wissenschaftliche Fundierung mit praxisnaher Anwendung und bringen umfangreiche Erfahrung aus den Bereichen Rhetorik, Kommunikation, Präsentation, Psychologie und Führung mit.

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