Embodiment: Das Zusammenspiel von Körper & Geist
Wie können wir die neuesten Erkenntnisse zum Embodiment für unseren Alltag nutzen?
Inhaltsverzeichnis
- 1. Embodiment: "Der Körper als Bühne unserer Gefühle". Was bedeutet das genau?
- 2. Embodiment in der Forschung: Wo hat das Phänomen seinen Ursprung in der Wissenschaft?
- 3. Angewandtes Embodiment – wie kann ich es für mich nutzen?
Der Begriff Embodiment wird im Deutschen mit „Verkörperung“ übersetzt. In der Forschung werden damit verschiedene Phänomene bezeichnet, die das Verhältnis zwischen Körper und psychischen Prozessen beschreiben. Dabei handelt es sich um einen interdisziplinären Untersuchungsgegenstand, der aus verschiedenen wissenschaftlichen Blickwinkeln betrachtet wird (Kognitionswissenschaften, Psychologie, Neurobiologie). Die Embodiment-Forschung geht davon aus, dass unser Geist, das heißt unser Denken und unser Verstand, unser kognitives System und unsere Psyche IMMER in einer Verbindung zu unserem gesamten Körper stehen. Unser Geist ist also eingebettet in unseren Körper. Geist und Körper sind wiederum in die restliche Umwelt eingebettet. Auf diese Weise nimmt unser Körper einen immensen Einfluss auf unser Fühlen, Denken und Handeln. Nach den Regeln des Embodiments wird jede Botschaft, die wir in unserer Umwelt empfangen als erstes über unseren Körper aufgenommen und nicht mit unserem „Kopf“.
In der akademischen Psychologie wurde der Mensch für eine lange Zeit als „Reiz-Reaktionsmaschine“ abgefertigt. Mit dem Aufkommen der Kognitionswissenschaft ab Mitte des 20. Jahrhunderts hat sich dies verändert: Untersucht wird das bewusste und unbewusste Erleben unseres menschlichen Denkens. Und dabei spielt der Körper eine viel wichtigere Rolle, als bislang angenommen.
Embodiment: „Der Körper als Bühne unserer Gefühle“. Was bedeutet das genau?
Die Forschung stellt folgende These zum Embodiment auf: Alles was wir erleben oder erfahren wird in unserem gesamten Körper beziehungsweise in den Zellen als „emotionale Erfahrung“ abgespeichert. Der Körper baut damit ein unbewusstes, intuitives „Erfahrungswissen“ auf. Dieses „Erfahrungswissen“ ist körperlich in uns gespeichert, das heißt bestimmte Emotionen sind mit verschiedenen körperlichen Haltungen unbewusst verknüpft. Das bedeutet: Die Art, wie wir in bestimmten Situationen unseren Körper halten und bewegen, wird von unseren emotionalen Erfahrungen beeinflusst. Unser Körper reagiert unbewusst auf Einflüsse aus der Umwelt. So reagieren manche Menschen auf Stress im Beruf mit einem angespannten Bauch oder mit gepresstem Kiefer. Aber der Effekt funktioniert auch andersherum: Nehmen wir gezielt eine Körperhaltung ein oder verändern unsere Mimik zum Beispiel durch ein entspanntes Gesicht oder durch ein Lächeln, können wir eine bestimmte psychische Reaktion hervorrufen. Diese unbewussten körperlichen Reaktionen werden auch „somatische Marker“ genannt (Soma = Körper). Die Bonner Psychotherapeutin Ellen Flies spricht davon, dass unser Denken stets „verkörpert“ ist. Auf diese Weise wird der Körper zu einer wichtigen Ressource, die unabdingbar für intelligente Prozesse ist, auch „embodied cognition“ genannt.
Zusammengefasst, lassen sich folgende zentrale Aussagen über das Embodiment festhalten:
- Nicht nur WAS wir sagen, hat Einfluss auf die vermeintliche Bedeutung, sondern auch WIE wir etwas sagen: Wir interpretieren immer auch die Varianz in Tonfall, Tempo, Lautstärke, Pausen. Ebenso achten wir auf körpersprachliche Signale wie Mimik und Gestik. Unser Körper spricht also immer mit.
- Ein großer Teil der Informationen, die über unser Handeln entscheidet, kommt aus dem nicht bewussten, vorsprachlichen Erfahrungswissen
- Embodiment ist ein Phänomen, das durch seine Wechselwirkung besticht, das heißt, es verläuft nicht nur in eine Richtung, wir können unsere Emotionen positiv durch Embodiment beeinflussen
Embodiment in der Forschung: Wo hat das Phänomen seinen Ursprung in der Wissenschaft?
Der amerikanische Psychologe Paul Ekman setzte mit seiner Arbeit den Grundstein für die Embodiment-Forschung. In seinen Studien zu non-verbaler Kommunikation und zur Kategorisierung emotionaler Gesichtsausdrücke, heute Facial Action Coding System genannt (1972-1978), konnte er das, was heutzutage Embodiment genannt wird, nachweisen. In dem Selbstversuch verschiedene Gesichtsausdrücke zu simulieren bemerkte er, dass dies ebenfalls seine Emotionen beeinflusste. Emotionen wurden also willentlich und gezielt erzeugt durch Rückmeldungen über die Gesichtsmuskulatur beziehungsweise Mimik und Gestik.
Eines der bekanntesten Experimente zur Embodiment-Thematik stammt jedoch aus dem Jahre 1988. Damals führte der Sozialpsychologe Fritz Strack an der Universität Mannheim ein inzwischen klassisches Experiment durch:
• Probanden bekamen die Aufgabe einen Bleistift quer in den Mund zu nehmen und Cartoons zu betrachten.
• Durch den eingesetzten Bleistift hoben die Testpersonen automatisch oder teilweise unbewusst ihre Mundwinkel.
• Das Ergebnis: Mit Stift im Mund wurden die Cartoons als lustiger empfunden als ohne. Das unbewusste Lächeln erzeugte automatisch eine beschwingtere Stimmung.
Die Wissenschaft sieht die enge Verknüpfung zwischen Körperlichem und Abstraktem (wie unseren Emotionen und Gefühlen) in der grundlegenden Funktionsweise des Gehirns verortet. Für die Wahrnehmung der Welt nutzt unser Gehirn Konzepte und Vorstellungen von konkreten Gegenständen. Dafür scheint das Gehirn eine körperliche Rückmeldung zu benötigen.
Neue Untersuchungen aus dem Jahr 2020 durch Johannes Michalak – Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Witten/Herdecke – unterstützten die Annahmen über das Embodiment. Michalak stellt eine deutliche Verbindung der motorischen Bewegung mit Emotionen, Hormonen und unserem Verhalten heraus. Grundlage für die Ergebnisse der internationalen Studie sind 5,819 Aufzeichnungen und 73 Einzelstudien, die zeigen wie unser Körper die Psyche widerspiegelt.
Die Experimente belegen, was wir in unserem Alltag beobachten können. Ein Lächeln kann unsere Stimmung unmittelbar in eine positive Richtung lenken. Denn eine positive Mimik führt laut Embodiment-Studien zu positiven Emotionen. Es heißt nicht umsonst: Lachen ist die beste Medizin!
Doch wie können wir mit Embodiment umgehen?
Angewandtes Embodiment – wie kann ich es für mich nutzen?
Neben der wissenschaftlichen Definition soll dieser Beitrag auch zeigen wie wir Embodiment ganz praktisch im Alltagsleben für uns erkennen und nutzen können.
Gezielte „Körperarbeit“ ist für viele Menschen – vor allem im beruflichen Alltag – peinlich behaftet. Dehnübungen oder ähnliche kurze körperliche Betätigungen können vor den Arbeitskollegen als unangenehm angesehen werden. Da nehmen wir lieber in Kauf, eine ungünstige Sitzhaltung über Stunden beizubehalten…
Vor allem in Zeiten einer Pandemie kann es passieren, dass wir unseren Körper vernachlässigen. Der Weg ins Büro entfällt, die Fitnessstudios sind geschlossen und im Allgemeinen spielt sich der größte Teil des Alltags für viele Menschen in den eigenen vier Wänden vor dem Laptop-Bildschirm ab. Gerade jetzt kann es positive Effekte haben Embodiment im Alltag zu nutzen.
Wir können unseren Körper bewusst zur Selbstregulation unseres Wohlbefindens und unserer Leistungsfähigkeit einsetzen. So können wir uns auf wichtige Situationen vorbereiten. Denn ein gesundes und gutes Körpergefühl ist die Basis für unser Wohlbefinden.
Die eigene Körperwahrnehmung ist der erste Schritt, Embodiment für sich zu nutzen! Sie können nicht nur Meetings neugestalten, sondern allgemein neue Erfahrungen und ein neues Verhalten wahrnehmen. Die Embodiment-Forschung rückt unseren Körper in den Vordergrund und zeigt uns, dass unser Gehirn mit unserem Körper kooperieren muss. Deshalb ist es unerlässlich in einer Therapie oder einem Coaching den Körper mit einzubeziehen. Wenn wir uns also versuchen positiv zu bestärken mit Affirmationen wie „Ich glaube an mich!“, dann sollten wir das auch versuchen entsprechend zu verkörpern. Schulen Sie sich, die Signale Ihres Körpers wieder wahrzunehmen und die Verbesserung zu spüren!