Die Anatomie der Körpersprache

200 Knochen, 360 Gelenke, 5 Sinne – das ist das Grundgerüst für den Wortschatz des Körpers, die Basis für die Weltsprache Bodytalk. Ob wir mit Händen und Füßen sprechen, mit den Ohren wackeln, die Schultern zucken oder das Tanzbein schwingen – wir kommunizieren mit jedem Teil des Körpers. Ganze 80% unserer Botschaften vermittelt die Körpersprache. Lesen Sie hier, was es bei der angewandten Körpersprache zu beachten gibt, um Gang, Haltung, Gestik und Mimik wirkungsvoll einzusetzen.

Gehen, um anzukommen.

In zwei Sekunden ist alles entschieden. Das ist die Dauer des berühmt-berüchtigten ersten Eindrucks, danach steht die Meinung Ihrer Interaktionspartner über Sie sehr schwer veränderlich fest. Ihr Auftritt, ob im Vorstellungsgespräch, beim Pitch oder im Vortrag beginnt deshalb mit dem Gang auf die Bühne. Steve Jobs legendäre Präsentation des ersten iPhones hätte nicht dieselbe Schlagkraft entwickelt, wenn er nervös auf die Bühne getrippelt wäre. Visionäre machen weite Schritte beim Gehen und große Sprünge in Gedanken. Vor dem obersten Boss gehen Sie in kleinen Schritten auf Nummer sicher. Der breitbeinige Cowboygang zeigt zwar Selbstbewusstsein, eleganter setzen die Füße in einer Linie auf. Richten Sie Fuß- und Nasenspitze auf Ihr Ziel: nach vorne. Wenn Sie auf den Boden schauen, wirken Sie nachdenklich, aber auch übertrieben vorsichtig, im schlimmsten Fall unterwürfig. Halten Sie sich möglichst gerade, besonders, wenn Sie sich unterwegs unterhalten. So schreiten Sie dynamisch voran – solange Sie niemandem auf die Zehen treten.

Tipp

Sehen Sie sich auf den Bürofluren um. Entscheiden Sie, wessen Art sich zu bewegen Sie besonders attraktiv, energetisch oder unsympathisch finden.

Was schließen Sie aus dem Gang des Kollegen Hasekamp auf seine Dynamik, seinen Antrieb, seine Kompetenz? Anschließend achten Sie auf sich selbst. Gehen Sie zum Sport anders als ins Büro, neben Ihrem Partner anders als neben Ihrem Chef?

Probieren Sie unterschiedliche Gangarten aus wie ein Schauspieler und finden Sie die Variante, mit der Sie sich am wohlsten fühlen.

Haltung zeigen.  

Erinnern Sie sich an die Haltung des Denkers von Rodin. Oder an die Venus von Botticelli. Sie steht x-beinig auf einem Fuß, die Hüfte geknickt, die Schultern gebeugt bis zur anatomischen Fragwürdigkeit. In dieser Pose kann niemand Position beziehen. Wir schließen von der Körperhaltung auf die Gefühle eines Menschen. Wer unsicher steht, kann sich in Debatten nur schwer behaupten, schließlich sieht er nicht aus, als sei er von seiner eigenen Meinung überzeugt. Lernen Sie von Kampfsportlern: Auf der Matte und im Meeting wirft Sie so schnell nichts um, wenn Sie schulterbreit stehen und das Gewicht gleichmäßig auf beide Beine verteilen. Um wahr- und ernstgenommen zu werden bleiben Sie mit der ganzen Fußsohle fest auf Ihrem Standpunkt, richten Sie sich auf, ziehen Sie die Schultern zurück. Ein Hohlkreuz vermeiden Sie, indem Sie Bauch- und Gesäßmuskulatur leicht anspannen. Wer aufrecht steht, atmet freier, spricht lauter, fühlt sich besser. Hier wird Körpersprache zum Selbstgespräch. Ihre Haltung zeigt Ihre Emotionen. Denken Sie daran, wie ein frisch Verliebter aussieht, der seine Freundin am Bahnhof abholt – oder jemand, der von seinem Date versetzt wurde und den letzten Zug nach Hause verpasst hat. Umgekehrt passt Ihr Gehirn Ihre Stimmung der Haltung an, ein Mechanismus, der im psychologischen Fachdeutsch sensorisches Feedback genannt wird. Ein aufrechter Rücken stärkt so das Selbstbewusstsein. Für die nächste Präsentation gilt: Kopf hoch!

Tipp

Schauspieler üben den aufrechten Gang mit einem Buch auf dem Kopf. Ändern Sie Tempo, Schrittlänge, Laufstil, nur das Buch sollte auf dem Kopf bleiben.

Sitzen Sie gut? Sitzen als Sonderform der Haltung. 

Streng genommen ist das Sitzen eine Sonderform der Haltung mit größerer Bandbreite – und dadurch umso schwieriger zu interpretieren. Das überschlagene Knie wird abwechselnd als abweisend und aufgeschlossen, als Flirtversuch oder als Signal der Nervosität gedeutet. In Wahrheit ist es womöglich schlicht bequem. Wippende Beine, die Ausrichtung der Füße, die Position der Arme lassen sich nur aus dem Kontext und der Kenntnis der Persönlichkeit richtig einordnen. Leider ist das menschliche Gehirn darauf ausgelegt, schnelle Urteile auf Basis geringer Informationsmengen zu bilden.

Bei wichtigen Gesprächen sollten Sie deshalb trotzdem auf Ihre Sitzposition achten. Nutzen Sie die Sitzfläche voll aus anstatt fluchtbereit auf der Stuhlkante zu hocken. Wenn Sie die Beine bequem nebeneinanderstellen, ohne sie zu weit zu spreizen, sollte ein aufrecht angelehnter Rücken automatisch am angenehmsten sein – das ist die perfekte Kombination. Wenn Sie am Tisch sitzen, halten Sie die Hände sichtbar über der Platte. Beugen Sie sich im Gespräch interessiert vor und lehnen Sie sich entspannt zurück, wenn Sie über sich selbst sprechen. Gesten mit offenen Handflächen wirken aufgeschlossener als im Schoß versteckte Hände. Mit dieser Grundhaltung kommen sie in den meisten Situationen gut an.

Tipp

Letzten Endes ist Ihre Art zu Sitzen auch ein Ausdruck Ihrer Persönlichkeit. Setzen Sie sich in einer ruhigen Minute in Ihrer üblichen Haltung vor einen Spiegel. Modifizieren Sie Details wie die Position der Arme und die Stellung der Füße, beobachten Sie die Veränderungen im Gesamtbild. Überlegen Sie, welche Wirkung dieses Bild auf einen Fremden hätte und ob das der Effekt ist, den Sie erzielen wollen.

Mimik als Spiegel unserer Emotionen.

Die menschliche Wahrnehmung ist hypersensibel für Gesichter. Eltern malwütiger Kleinkinder wissen das ebenso wie Forscher renommierter Universitäten, die in aufwändigen Eyetracking-Studien zeigen, dass Menschen auf jedem Bild zuerst nach Auge, Nase und Mund suchen. Denn hier finden wir die Informationen, von denen unser Überleben abhängt, seit unsere Vorfahren ihre Höhlen verließen: Freund oder Feind, das ist hier die Frage. Wenn der Körper Bände spricht, ist das Gesicht die Bibel. Dabei sind die Augen das wichtigste Werkzeug. 90% der verarbeiteten Information nimmt das Gehirn visuell auf. Gerade seit den Forschungen von Paul Ekman wissen wir über die Bedeutung der Mikroexpressionen, das sind minimale Reaktionen der Mimik, die manchmal nur 1/25 Sekunde dauern. Aber sie sind universell und kulturübergreifend lesbar für die sieben Grundemotionen: Wut, Ekel, Verachtung, Freude, Trauer, Angst und Überraschung.

Ein direkter Blick verspricht ungeteilte Aufmerksamkeit oder droht damit. Wer wegsieht, gibt dem Gesprächspartner Privatsphäre oder nimmt ihm sein Existenzrecht – er behandelt ihn wie Luft. In diesem Spannungsfeld entstehen Blickrituale, die uns oft nicht bewusst sind. Doch wer die Regeln durchschaut, kann sie nutzen, um die Stimmung eines Gesprächs gezielt zu lenken. Hier entfaltet die Körpersprache ihre volle Kraft.

Tipp

Machen Sie den Selbsttest und finden Sie für die sieben Grundemotionen die Mimikverläufe im Gesicht. Schauen Sie in den Spiegel und fühlen in sich hinein. Versuchen Sie, folgende Emotionen zu reproduzieren: Wütend, angeekelt, verächtlich.

Reden mit Händen und Füßen: Die Gestik.

Gehörlose Menschen beweisen, dass es sich wunderbar ohne das gesprochene Wort leben lässt: Die Hände sind in der Lage, die komplette Kommunikation zu übernehmen. Leider ist ihr Einsatz im Alltag längst nicht so einheitlich wie die Gebärdensprache. Die möglichen Haltungen, Bewegungen und Aktionen sind so vielseitig und individuell, dass sie einen ganzen Brockhaus füllen würden. Fast alle Gesten lassen sich aber in zwei Grundtypen einteilen: Die offene und die geschlossene Haltung. Dicht am Körper schützen die Arme die weichen, verletzlichen Organe und Hauptschlagadern vor Angriffen. Die sensible Handfläche mit ihren feinen Nervennetzen wird weggedreht oder gar in der Faust versteckt. So verhält sich jemand, der Gefahr wittert und ist dann zu extremen Reaktionen bereit: Fight oder Flight, Kampf oder Kapitulation, Angriff oder Abmarsch. Ein entspanntes Gespräch oder ein begeisterter Vortrag ist schwer vorstellbar. Ein Kuriosum der Körpersprache ist, dass Verletzlichkeit oft die beste Verteidigung ist. Wenn Sie nicht nur vom Ellbogen abwärts gestikulieren, sondern die Oberarme locker bewegen, den Oberkörper frei präsentieren und die Handflächen offen zeigen, signalisieren Sie, dass Sie keine Bedrohung spüren, sich unverwundbar fühlen. Gleichzeitig geben Sie sich selbst mehr Spielraum, um das volle Potential Ihrer Hände auszuschöpfen. Mit keinem anderen Teil Ihres Körpers nehmen Sie so direkt Einfluss auf Ihre Gesprächspartner. Sie schaffen Distanz oder Nähe, können die Distanzzone Ihres Gegenübers nach Belieben respektieren oder missachten. Eine Berührung am Ellbogen schafft Vertraulichkeit, die Hand auf der Schulter zeigt Wertschätzung ebenso wie Abwertung – Sie haben im besten Wortsinn die Oberhand.

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